Jede Stimme zählt!?
Warum politische Bildung im Schulalltag wichtig ist – ein Meinungsbeitrag
Politische Bildung gehört zum Grundstock einer schulischen Ausbildung. Doch oftmals erfolgt die Vermittlung politischer Inhalte nur dröge und wenig motivierend. Kein Wunder, dass unsere heutige Jugend wenig Interesse an Politik zeigt? Ein Plädoyer für mehr aktive politische Bildung an der Schule.
Ich bin auf dieses Thema durch ein Jugendprojekt namens „Youth Creates“ der Auslandsgesellschaft gekommen, wo wir Jugendliche und junge Erwachsene uns selbst mit verschiedenen politischen Themen wie zum Beispiel Barrierefreiheit beschäftigt haben. In kleinen Gruppen haben wir das Thema schrittweise erarbeitet und die betreffenden Ergebnisse im März vor unseren Eltern und Verwandten präsentiert. Bei der Beschäftigung in diesem Projekt ist mir klar geworden, dass es mehr politische Bildung an Schulen geben sollte, weil sie im Schulalltag nicht ausreichend genug thematisiert wird.
Eine politische Bildung ist wichtig, da sie auch Einfluss auf unser späteres Leben hat. Ein wesentlicher Bestandteil politischer Bildung ist dabei, dass man eine sog. Demokratieerziehung erhält. Diese sollte viel stärker als aktuell in den Schulalltag eingebunden werden, auch wenn sie bereits (meist irgendwie diffus) in jedem Fach wiederzufinden ist.
Zudem sollte man schon Kinder schrittweise über Politik aufklären, damit man immer mehr dazu lernt, wie das politische System in Deutschland (oder auch der EU!) funktioniert und welche Partei dabei welche Meinung üblicherweise vertritt. Dabei könnten uns auch Apps helfen, wie beispielsweise der „Wahl-O-Mat“.
In Deutschland gibt es zwar das Fach Politik verpflichtend (bei uns an der GSB als Mischform im GL-Unterricht), sodass hier die Vermittlung von Grundlagen politischer Bildung stattfindet. Doch werden die betreffenden Themen meines Erachtens nur stumpf den Schüler*innen übermittelt, etwa indem Texte gelesen, Arbeitsblätter bearbeitet oder langweilige Dokumentarfilme geschaut werden. Dabei könnten neben abwechslungsreichem Mediengebrauch wie Darstellungen oder Kurzfilmen auch die aktive Beschäftigung mit den Themenbereichen, etwa mittels Entwicklung eines Podcasts o. Ä. helfen.
Eine Folge des stumpfen Übermittelns politischer Bildung kann sein, dass Schüler*innen das Interesse an der Politik verlieren und dadurch kein Verständnis für sie entwickeln oder sich eine gewisse Politikverdrossenheit einschleicht. Gemeint ist damit, dass Menschen theoretisch zwar wissen, dass sie sich politisch engagieren müssten, um politischen Einfluss auf die Gesellschaft (auch in ihrer unmittelbaren Umgebung) üben zu können, sich praktisch aber verweigern oder kein Interesse daran zeigen, weil sie ihre Einflussmöglichkeiten meist als unzureichend empfinden. So entsteht ein falsches Bild von Politik und eine solche Haltung kann zudem gar zu radikalen Positionen führen. Dies geht auch aus einer Messung aus dem Jahr 2018/2019 von der Friedrich-Ebert-Stiftung hervor, die besagt, dass immer mehr Menschen rechts eingestellt sind. Deshalb ist es wichtig, junge Menschen über Politik und die Grundwerte einer liberalen Demokratie aufzuklären.
Grundsätzlich kann man natürlich positiv hervorheben, dass es in Deutschland überhaupt das Fach Politik gibt, doch man könnte das Fach (bei uns an der GSB also GL) in seiner Attraktivität verbessern, sodass die Schüler*innen von sich aus mehr Interesse nicht nur für das Fach, sondern darüber hinaus auch für politisches Engagement entwickeln.
Ein wichtiger Aspekt zur Verbesserung des Faches Politik ist, dass es ein besseres Stundenkonzept benötigt und sich mehr auf die Interessen der Schüler*innen bezieht, beispielsweise indem (wie oben schon angesprochen) mehr digital oder praktisch durch Rollenspiele gearbeitet wird. Dadurch können die Konzepte oder Themen und komplexere Sachverhalte verständlicher und zugänglicher dargestellt werden. Auch die aktive Entwicklung von Schaubildern dienen einer besseren Verständlichkeit und Anschaulichkeit. Praktisches Arbeiten könnte auch das Erstellen von Beiträgen für Social-Media-Kanäle umfassen, sodass auf intuitive Weise jüngere Lernende zur Auseinandersetzung mit den relevanten Themen motiviert werden und so ein größeres Interesse bei ihnen entsteht.
Auf einer sozialen Ebene im Unterricht ist es unverzichtbar, ein offenes und aufrichtiges Klassen- oder Kursklima zu entwickeln, sodass man sich frei und unbeeinflusst mit der eigenen wie auch mit fremden Meinungen, z. B. von Mitschüler*innen auseinandersetzen kann, ohne vorverurteilt zu werden. Es ist unheimlich wichtig zu erkennen, dass auch fremde Meinungen bereichernd sein und den eigenen Blickwinkel erweitern können. Selbstredend gehören grundsätzliche Gesprächsregeln hierzu, etwa dass man anderen zuhört und sich gegenseitig ausreden lässt. Das konsequente Training von Gesprächsregeln und der Aufbau einer respektvollen Debattenkultur sind an dieser Stelle also von entscheidender Bedeutung.
In Bezug auf die Inhalte des Politikunterrichts sollte man den Schüler*innen alle wichtigen Grundlagen der Politik vermitteln. Das fängt schon damit an zu beleuchten, wie etwa politische Entscheidungsfindungsprozesse in einer Kommune funktionieren und wie sich der Einzelne – auch Kinder und Jugendliche – darin einbringen können!
Dazu gehört auf mittelfristige Sicht dann auch, sich im Schulalltag mit den einzelnen Parteien zu befassen bzw. ihrer politischen Ausrichtung, ihren grundsätzlichen Positionen und mit ihren Wahlprogrammen auseinanderzusetzen, ebenso wie mit ihrem historischen Werdegang, der durchaus auch Schattenseiten einzelner Parteien beleuchten darf.
Weil die Medien als eine „vierte Säule der Demokratie“ betrachtet werden können, gehört zu guter politischer Bildung ebenfalls ein angemessener Umgang mit sozialen Medien, Nachrichtenportalen und insbesondere das Erkennen von Fake News. Da die Medien wohl das einflussreichste Mittel politischer Parteien sind, müssen junge Menschen wissen, wie sie beeinflusst werden können und folglich lernen, kritisch mit medialen Inhalten umzugehen. Nur so kann vermiedenen werden, dass junge Menschen irreführenden Inhalten und Meinungen erliegen und sich radikalen Positionen zuwenden.
Die oben genannten Problemfelder anzugehen, bedeutet, dass es zu einer zusätzlichen Belastung von Lehrkräften und Schüler*innen kommen kann – Lehrkräfte müssten ihren Unterricht überdenken, an den nötigen Stellen umstrukturieren und ggf. Fortbildungen erhalten, was auch weitere Kosten verursacht. Schüler*innen hingegen würden in eine aktivere Rolle versetzt, in der das Gelingen politisch bildenden Unterrichts auch davon abhängt, wie engagiert sich Schüler*innen in das Unterrichtsgeschehen oder darüber hinaus in außerunterrichtliche Projekte einbringen. Dies könnte bedeuten, dass sie so möglicherweise etwas weniger Freizeit hätten, doch ist es eine Überlegung wert, ob man diese Zeit opfert. Denn nur so können die Schüler*innen auf Wahlen besser vorbereitet und damit in die Lage versetzt werden, verantwortungsbewusst und selbstbestimmt an gesellschaftlichen und politischen Prozessen teilzunehmen und so ihre Demokratie mitzugestalten. Die Schulen können auch abseits des Unterrichts Anreize schaffen, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene politischen Projektgruppen anschließen, z. B. indem sie Kooperationen mit Jugendgruppen einer Partei bewerben oder vermitteln. Damit könnten junge Menschen auch im privaten Bereich lernen, Verantwortung für Andere und ihre Umwelt zu übernehmen.
Mein Fazit ist, dass wir politische Bildung zwar theoretisch in den Schulen verankert haben, aber das aktuelle Konzept vor vielen Herausforderungen steht, die es von systemischer Seite anzugehen gilt. Dazu gehört für mich, dass sich die Verantwortlichen bessere Wege zur Vermittlung von politischen Themen ausdenken müssen, damit mehr Kinder und Jugendliche Interesse für Politik entwickeln. Was aktuell in der Gesellschaft beklagt wird, nämlich eine abnehmende Toleranz für anders denkende Menschen, kann in der Schule angegangen werden, indem eine gesunde und respektvolle Gesprächskultur trainiert wird, die zu mehr Akzeptanz für unterschiedliche Meinungen führt. Nicht zuletzt ist die Schule meiner Meinung nach in der Pflicht, Schüler*innen dazu zu bewegen, sich konkret auch mit den Auswirkungen von politischen Entscheidungen durch die Parteien auseinanderzusetzen und Fälle sichtbar zu machen, die das Leben von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Hier und Jetzt beeinflussen. Nur so wird ihnen nämlich klar, warum eine größtmögliche Teilnahme am politischen Geschehen wichtig ist und warum jede Stimme von Anfang an zählt – egal ob abgegeben oder eben nicht!
So., 26.05.24 von Sophia H.